Stellungnahme zu Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie

  

In der Psychiatrie werden Patientenrechte und Menschenrechte teilweise außer Kraft gesetzt. Die Freiheit der Person wird eingeschränkt. Besonders leiden die Patienten neben dem Freiheitsentzug unter der Fixierung (in der Regel ans Bett) und der Zwangsmedikation. Um Patienten zwangsbehandeln zu können, wird extra eine Rechtsbetreuung beim Gericht beantragt. Der eingesetzte Betreuer beantragt dann eine Zwangsbehandlung mit Psychopharmaka (meistens Antipsychotika). Die Zwangsbehandlung wird dann über einen Zeitraum von 4 oder 6 Wochen vom Gericht genehmigt. Danach kann der Betroffene die Medikamente wieder verweigern. Bis der Antrag für eine Zwangsmedikation durch ist, vergehen etwa 4 Wochen. In der Forensik ist eine genehmigte Zwangsbehandlung theoretisch unbegrenzt möglich. Eine Überprüfung erfolgt alle 6 Monate. Ob eine regelmäßige Überprüfung auf Nebenwirkungen und körperliche Schäden in der Forensik stattfindet, ist nicht bekannt. Die Behandlung in der Klinik setzt zu sehr auf Medikamente. Gespräche finden zu wenig statt. Wenn man einen Patienten zwangsweise behandelt, ist es anschließend sehr schwierig, ein Vertrauensverhältnis zum Patienten aufzubauen, damit er sich öffnet. Die Namen der Medikamentengruppen „Antidepressiva“ und „Antipsychotika“ sind ein Etikettenschwindel. Beide können die Erkrankungen nicht heilen. In vielen  Fällen helfen diese Medikamente den Patienten, ihre Erkrankung besser ertragen zu können und eine Gesprächstherapie beginnen zu können. Einige Patienten ertragen die Wirkung und die Nebenwirkungen der Psychopharmaka nicht. Diese Mittel wirken auf das komplette Nervensystem, nicht nur auf das Gehirn. Das Gefühlsleben des Betroffenen wird verändert. Bei einer Gruppe von Antidepressiva, den SSRI, besteht besonders bei jungen Menschen, die Gefahr der Selbst- oder Fremdtötung (Amoklauf). Die Hemmschwelle zum Suizid oder zum Amoklauf wird herabgesetzt. Wenn Patienten nach ihrer Entlassung die Medikamente weglassen, kann es in diesen Fällen zu einer erneuten Erkrankung kommen, bei zu schnellem Absetzten kann es eine Absetzpsychose geben. Die Patienten werden zu wenig über ihre Erkrankung und den Umgang mit Medikamenten aufgeklärt. Ein weiteres Problem ist die Fixierung. Erregte Patienten werden zur Gefahrenabwehr ans Bett gefesselt. Dazu wird ein Alarm ausgelöst und mehrere Mitarbeiter fesseln einen Patienten an Armen, Beinen und Bauch oder Brust mit Ledergurten an ein Bett, so dass sich dieser nicht bewegen kann. Ein erregter Patient hat zu viel Adrenalin im Körper. Dies sollte man allgemein durch körperliche Aktivität (Sport) abbauen. In der Fixierung ist dies aber nicht möglich. Nach einer Befragung von Betroffenen, was sie in der Fixierung empfunden haben, sagten viele „ein Gefühl von Angst und Wut“. Aber sowohl Angst als auch Wut setzen Adrenalin im Körper frei. Patienten schreien in der Fixierung und versuchen sich zu bewegen. Der Erregungszustand kann lange anhalten, da das überschüssige Adrenalin nicht durch Bewegung abgebaut werden kann. In der Allgemeinpsychiatrie im KBO sind Fixierungen über mehrere Tage vorgekommen, in der Forensik sogar über mehrere Wochen. Betroffene sprechen bei der Fixierung von Folter. Man versucht die Patienten mit Medikamenten zu beruhigen. Hier besteht aber die Gefahr der Überdosierung, welche für den Patienten tödlich enden könnte. Eine Behandlungsform, die auf keinen Fall per Zwang durchgeführt werden sollte, ist die Elektrokrampftherapie (EKT). Hier wird einem Patienten, unter Vollnarkose und in einer Fixierung, Starkstrom durch den Kopf geschossen. Die möglichen Schäden sind im Einzelfall nicht vorhersehbar. Die Wirkung gegen Depressionen soll bei Erfolg etwa 2 bis 3 Wochen anhalten. Das Risiko schwerer körperlicher Schäden ist bei der EKT so hoch, dass dies nur mit der Einwilligung der betroffenen Patienten durchgeführt werden sollte. Die Psychiatrie sollte ihre Behandlungsmethoden überdenken und Neues wagen.

 

Detlef Tintelott (Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Bremen e.V.)

 

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