Qualität in der Psychiatrie

Qualität ist ein Standard, der ständig im Wandel ist. Dies hängt von der wissenschaftlichen Entwicklung, den ethischen und moralischen Vorstellungen und Werten der Gesellschaft und dem nationalen und internationalen Austausch ab. Eine psychische Erkrankung ist eine Erkrankung der Seele mit verschiedenen Ursachen und Auslösern. Die Kirche hat früher, als sie noch mächtig war, bei psychisch Erkrankten Teufelsaustreibungen gemacht, die Nazis hatten Psychisch Kranke als unwertes Leben bezeichnet, sie sterilisiert oder ermordet, in einigen Gegenden Afrikas werden heute noch die Patienten unter einem Baum festgekettet, weil man sie nicht behandeln kann, in Europa konnte man früher für einen Eintrittspreis die Irren in einigen Anstalten ansehen, wie im Zoo, damit die Irrenanstalten finanziert werden konnte. Und hier taucht auch schon ein wichtiger Punkt auf. Die Finanzierung. Dies übernehmen in Deutschland die Krankenkassen. Sie entscheiden, welche Behandlung bezahlt wird und welche nicht. Damit haben die Krankenkassen Einfluss auf die Behandlung und damit auf die Qualität. Wenn die Kassen sagen, wir bezahlen keine Elektrokrampftherapie, dann wird diese Art der Behandlung verschwinden. Oder wenn die Kassen bestimmte Psychopharmaka nicht mehr bezahlen, weil sie keinen Nutzen haben, werden diese nicht mehr verordnet. Auch auf den Tagessatz in den Kliniken (ca. 300 € pro Tag) haben die Kassen Einfluss. Wenn eine Klinik starke Gewinne abwirft, weil zu wenig Therapie angeboten wird, kann der Tagessatz gekürzt werden oder die Klinik wird gebeten, mehr für die Patienten anzubieten. Auch die Politik hat Einfluss auf die Qualität. Sie macht die PsychKGs, ist in einigen Besuchskommissionen vertreten, sie kann das Betreuungsrecht ändern und zweckgebundene Gelder an die Kliniken geben. Natürlich kann sie den Kassen bestimmte Vorgaben machen, was sie zu zahlen haben. Aber die Kassen können sagen, dass nur ein billiges, nachgemachtes Medikament bezahlt wird. Oder bestimmte Leistungen werden von den verschiedenen Kassen unterschiedlich bezahlt, bzw. auch nicht übernommen. Die Bezahlung von Leistungen ist Verhandlungssache. Die Richter haben dadurch Einfluss, dass sie die Unterbringung, die Zwangsbehandlung und die Einrichtung von Betreuungen genehmigen müssen. Dazu gibt es Anhörungen mit dem Patienten, wo sich der Richter ein Urteil bildet. Die Presse nimmt ebenfalls Einfluss durch Aufdeckung von Skandalen, z.B. im Maßregelvollzug. Heute werden auch die Erfahrungen von Patienten und deren  Angehörigen in die Entwicklung von Qualitätsstandards aufgenommen. Man schaut auch mal in andere Länder und steht im internationalen Austausch. Dinge wie Soteria, Hometreatment und EX-IN sind international verbreitet. Die Frage ist nur immer: wer bezahlt? Wenn man die Qualität verbessern will, muss man durch die Politik die Rahmenbedingungen verbessern, die Krankenkassen vom Sinn neuer Behandlungsmethoden überzeugen und die Mitarbeiter in der klinischen und ambulanten Versorgung schulen. Dann braucht man noch wirksame Methoden, um die Qualität zu kontrollieren. Es ist also eine Sache des Geldes und des Kopfes, wie sich die Qualität entwickelt. Es gibt Kliniken, die wunderbar ohne Androhung von Zwangsmedikation funktionieren, für andere Kliniken geht eine Behandlung nicht ohne Medikamente. Einige Klinken schulen ihr Personal regelmäßig zu Zwangsmaßnahmen wie Fixierung und wollen nicht ohne Zwang und  Gewalt arbeiten. Bei den Mitarbeitern, die für Patienten das wichtigste in der Behandlung sind, muss sich bei vielen an ihrer Einstellung etwas ändern. Dazu sind Schulungen mit ehemaligen Patienten sinnvoll. Schöne Gebäude nützen nichts, wenn von den Mitarbeitern Zwang und Gewalt ausgeht oder sie nicht deeskalieren können. Einige Studiengänge werden von der Pharmaindustrie gesponsert. Hier lernen die angehenden Psychiater, welches Medikament man wann geben kann. Nur diese Medikamente haben starke Nebenwirkungen und können süchtig machen. Daher machen Psychiater in der Regel keinen Selbstversuch mit Psychopharmaka. Aber zur Behandlung gehört auch noch die Therapie, z.B. Ergo- oder Arbeitstherapie, Verhaltenstherapie, Sport und Bewegung, Gespräche mit Psychologen und anderen Mitarbeitern und der Kontakt mit anderen Menschen und den Medien, um in ein normales Leben zurückzukehren. Wichtig für Patienten auf den geschlossenen Stationen ist der Ausgang. Hier haben einige Kliniken Probleme, einen täglichen Ausgang zu gewährleisten. Wenn man den täglichen Ausgang im PsychKG vorschreibt, kann sich hier etwas tun.  Der Gesetzgeber kann auch verhindern, dass Menschen einfach in die Psychiatrie abgeschoben und entmündigt werden. Es könnten sich Verwandte durch falsche Aussagen und Anschuldigungen an dem seelisch erkrankten Menschen bereichern, ihn also abschieben.  Auch Betreuer müssen stärker kontrolliert werden, was sie mit dem Vermögen ihrer Klienten machen. Das System braucht also stärkere Kontrolle. Dazu gibt es die Besuchskommissionen, Ethikkommissionen und die unabhängigen Beschwerdestellen. Aber man braucht auch Gesetze, um z.B. Kliniken oder Psychiater verklagen zu können. Viele wollen mehr ambulante Behandlung, das sogenannte Hometreatment. Dies ist aber nur eine Alternative zur Klinik. Denn wer möchte schon unter seinen Verwandten sein, wenn es vorher Stress gab. Bei Auseinandersetzungen könnte Zwang und Gewalt in der eigenen Wohnung drohen. Die Qualität in der Psychiatrie richtet sich jeweils nach den aktuellen Möglichkeiten und wird in 50 Jahren andere Anforderungen haben als heute. Um Qualitätsziele zu fordern, braucht es ein Grundverständnis zur Psychiatrie. Mein aktuelles Grundverständnis möchte ich hier nun präsentieren.

Grundverständnis psychischer Erkrankungen und deren Behandlung in der Psychiatrie

Die Psychiatrie unterscheidet sich von der allgemeinen Medizin, weil es keine klaren Diagnosen mit vorgegebenen Behandlungsschritten gibt. Psychische Erkrankungen sind nicht durch medizinische Tests (z.B. Blutbild) nachzuweisen. Es sind keine biologischen oder chemischen Veränderungen, die diese Erkrankungen auslösen. Psychische Erkrankungen sind nicht ansteckend, bzw. von Mensch zu Mensch übertragbar. Es sind Erkrankungen der Seele. Es sind Reaktionen der Seele auf äußere Einflüsse und Belastungen (z.B. Stress), sowie Gefühlen wie Liebe, Leid, Kummer und Trauer. Die Diagnosen der Psychiater sind auf Beobachtung des Verhaltens der Patienten angewiesen, damit subjektiv. Es wird heute zu viel als „psychisch krank“ bezeichnet. Man muss zwischen heilbaren und unheilbaren psychischen Erkrankungen (nach heutiger Definition) unterscheiden. Demenz gilt als psychische Erkrankung, ist aber eher eine biologische Alterserscheinung des Gehirns, die man mit Medikamenten aufhalten kann. ADS-ADHS gilt als psychische Erkrankung, die man mit Medikamenten behandeln möchte, ist aber eher als Entwicklungsprozess von Kindern zu sehen, der sich auch ohne „Behandlung“ einstellt. Auch die schwierige Phase der Pubertät ist nicht psychisch krank. Es stellt sich von selber oder durch Hilfe anderer Menschen wieder ein. Man muss genauer definieren, was eigentlich psychisch krank ist und was man überhaupt behandeln sollte und wie man behandeln sollte. Aktuell wird alles in einen Topf geworfen. Dadurch kommt es auch zu Gesetzen, die man als „Kollektivstrafen“ bezeichnen könnte. Um Demente fixieren zu dürfen, dürfen alle psychisch kranken fixiert werden. Um gefährliche Straftäter in der Forensik unter Zwang mit Medikamenten versorgen zu dürfen, dürften alle psychisch kranken Zwangsbehandelt werden. Auch Autismus gilt als psychische Erkrankung. Warum? Früher galten alle als Irre oder Geisteskranke. Geist und Seele wurden in einen Topf geworfen und damit geistige Behinderung einer Erkrankung der Seele gleichgestellt.  Als „krank“ gilt aber etwas, dass vorher nicht da war und durch medizinische Behandlung gesund werden kann. D.h. Psychosen, Schizophrenien, Depressionen, Borderline, Manien, ADS-ADHS sind im Laufe des Lebens aufgetreten und sind durch entsprechende Therapien oder auch durch Selbstheilungskräfte des Körpers (und deren Förderung) heilbar. Die Medizin muss hierbei spirituelle Methoden zulassen. Die Suche nach der Seele ist mit der Suche nach Gott vergleichbar. Wir wissen, dass es sie gibt, können sie aber weder chemisch, noch physikalisch oder biologisch nachweisen. Bei der Definition müssen wir unterscheiden zwischen: a) einer körperlichen Erkrankung mit seelischer Ursache.  Und b) einer geistigen oder seelischen Erkrankung mit körperlicher Ursache.  Die Medizin bekämpft häufig die körperlichen Leiden, vergisst dabei die seelische Ursache. Ein großer Fehler ist es, gleich  die Symptome mit Medikamenten zu dämpfen. Dann kann man die seelische Ursache nämlich nicht mehr erkennen. Die Folge kann eine längerfristige Erkrankung, dann Behinderung genannt, sogar bis ans Lebensende sein. Der Dauereinsatz von Psychopharmaka ist umstritten. Es führt im Durchschnitt zu einer starken Verkürzung der Lebenserwartung. Man möchte Leben retten, aber viele Patienten begehen unter Psychopharmaka oder wegen dieser Medikamente Selbstmord. Eine Zwangsmedikation macht wenig Sinn. Sie ist mit einer Fixierung verbunden. Dieser Ablauf schafft kein Vertrauen des Patienten in die Behandlung. Er wird diese abhängig machenden Präparate bei der nächsten Gelegenheit absetzen und damit in eine „Absetzpsychose“ verfallen. Durch mangelnde Aufklärung und die häufige Unverträglichkeit der Psychopharmaka schafft das System „Dauerpatienten“, „Drehtürpatienten“ und Behinderte. Viele dauerhaft erkrankte Menschen, die auch unter Dauermedikation stehen, haben einen Rechtsbetreuer und häufig Wohnbetreuung. Sie werden genötigt, Medikamente zu nehmen, sonst drohe die Obdachlosigkeit. Es macht doch keinen Sinn, gleich bei der ersten Auffälligkeit, Medikamente zu geben. Nur lässt sich mit Pillen gut verdienen. Es handelt sich jährlich um ein Milliardengeschäft. Es gibt Patienten, denen Medikamente helfen, die diese vertragen und die die Pillen gerne schlucken. Nur nehmen diese Menschen dann gegen jedes Problem eine Pille und lernen nicht, Konflikte zu lösen. Am Ende kann die Medikamentensucht stehen. Aber was müssen wir behandeln? Wen müssen wir behandeln? Müssen wir die Menschen einsperren? Müssen wir ihnen Gewalt antun? Man sagt, jeder Mensch kann in seinem Leben mal eine kleine Psychose bekommen. Diese kann aus genannten Ursachen auftreten und von selber wieder weggehen. Der Mensch besitzt Selbstheilungskräfte, auch für die Seele. Dies sollte man zunächst nutzen und fördern. Wenn man schnell Hilfe sucht oder Angehörige diese für einen suchen, kann man schlimmeres verhindern. Die Lebensumstände und die Lebensqualität müssen verändert werden. Wichtig sind Informationen und der Zugang zu ihnen, Vorsorge und Nachsorge. Nur wenn die Selbstheilungskräfte nicht mehr wirken, sind andere Behandlungsmethoden zulässig, es sei denn der Patient wünscht in einer Patientenverfügung z.B. keine Psychopharmaka. Auch das Einsperren in einer Anstalt, ohne eine Straftat begangen zu haben, ist fragwürdig, wird aber praktiziert. Medikamente gegen psychische Erkrankungen gibt es nicht. Sie dämpfen nur die sichtbaren Symptome. Man kann bei schweren Depressionen Medikamente einsetzen, aber eine Garantie, dass sie helfen, gibt es nicht. Häufige Folge der Medikamente ist eine ungesunde Gewichtszunahme mit möglicher Gefahr von Diabetes. Unser Körper reagiert bei Überlastung zu seinem eigenen Schutz mit einer seelischen Reaktion.  Dies bedeutet, es kann jeden Menschen treffen. Nur muss man nicht gleich alles in der psychiatrischen Klinik behandeln. Menschliche Reaktionen sind nicht gleich krank. Durch Folter kann man Psychosen auslösen. Aber was sind dann Fixierung und Zwangsmedikation bei Psychotikern? Warum gibt es vereinzelt Kameraüberwachung auf psychiatrischen Stationen bei Menschen mit Verfolgungswahn? Warum machen wir immer mehr Behinderte aus seelisch Erkrankten? Lässt sich mit Betreuung gutes Geld verdienen? Psychiatrie ist ein Wirtschaftsunternehmen mit vielen Mitarbeitern und großem Gewinn geworden. Nur in dieser Dimension völlig unnötig. Wenn wir Gott nicht beweisen können, können wir unsere Seele auch nicht beweisen. Vielleicht zeigt sich Gott nicht sichtbar als Mensch, aus Angst mit  Psychopharmaka behandelt zu werden? Es ist ein Kampf zwischen Glaube und Wissenschaft, auch in unserer Gesellschaft. Letztere führt eben zu den seelischen Erkrankungen. Die deutsche Psychiatrie verstößt gegen internationale Menschenrechte, sogar gegen das eigene Grundgesetz (z.B. Artikel 1 und 2). Eine Reform des Systems ist dringend zu empfehlen.

Aus diesem Grundverständnis ergibt sich, dass man z.B. erfolgreiche Methoden von Heilpraktikern zulässt und von den Krankenkassen bezahlen lässt.

Zur Qualitätsverbesserung  und Qualitätssicherung muss ein ganzes Netz in der psychiatrischen Versorgung überprüft und geändert werden. Aktuell spielt auch die UN-Behindertenrechtskonvention eine wichtige Rolle. Dadurch müssen nationale Gesetze geändert werden. Psychiatrie-Erfahrene werden an der Planung, Ausbildung und Kontrolle beteiligt. Ebenso die Angehörigen. Aber nicht nur Mitarbeiter der Psychiatrie müssen aus- und fortgebildet werden, sondern auch Richter und Polizisten. Ein Richter kann sich nicht nur auf die Meinung eines Psychiaters verlassen und Polizisten müssen den Umgang mit psychisch Erkrankten erlernen. Psychiatrie-Erfahrene gehören genauso wie die Angehörigen in die Besuchskommissionen. Auch die Unabhängigen Beschwerdestellen sollten trialogisch besetzt sein. Die Kliniken haben interne Beschwerdestellen, möglichst auch eine Ethikkommission und einen Patientenfürsprecher. Patienten sollten sich durch eine Behandlungsvereinbarung und einer Patientenverfügung mit Vorsorgevollmacht schützen können. Die Papiere sollten bei einer Aufnahme in der Klinik schnell auffindbar sein. Sinnvoll ist vor allem in den Städten ein Krisendienst, der 24 Std. am Tag erreichbar ist. Die Wartezeiten bei den Psychiatern sollten möglichst kurz sein. Wer erstmals in eine Krise gerät, kann nicht 4-6 Wochen auf einen Termin warten, sondern muss schnell zwischengeschoben werden. Patienten sollten an ihrem Behandlungsplan mitarbeiten können. Wir brauchen mündige Patienten. Schlecht ist die ausgeübte Nötigung und Erpressung in den Kliniken: Pillen schlucken oder kein Ausgang, Pillen schlucken oder Haloperidolspritze. Man muss weg von der reinen Behandlung mit Psychopharmaka.  Nebenwirkungen von Psychopharmaka sollten ernst genommen werden und wie auch somatische Beschwerden schnell untersucht werden. Der Patient und die Patientin sollte die Wahl der Klinik und des Arztes haben und zwischen einem männlichen oder weiblichen Therapeuten wählen können. In den Kliniken muss der Patient ein Gefühl von Schutz und Sicherheit bekommen. Wenn dies nicht gelingt, wird eine Behandlung schwierig und es kann zu einer Flucht des Betroffenen aus der Anstalt kommen. Hier ist die Aufnahmesituation prägend für den weiteren Verlauf der Behandlung. Sicherheit kann man den Patienten durch abschließbare Zimmer geben, in die dann nur das Personal eintreten kann und durch abschließbare Schränke und einem Safe für Wertsachen. Die Klinik sollte sich schnell darum kümmern, ob in der Wohnung noch Türen oder Fenster zu schließen sind oder Haustiere zu versorgen sind. Für Patienten, die Raucher sind und ohne Geld eingeliefert werden, muss es einen Fond geben, da es sonst Stress geben könnte. Für seelisch Erkrankte und deren Angehörige muss das Informationsnetz erweitert werden. Es gibt Seiten im Internet, die Ratsuchenden helfen können, aber die Informationen müssen auch in anderen Medien verbreitet werden. Präventionsmaßnahmen müssen ausgeweitet werden.  

Ich möchte die Ziele zur Qualitätssicherung  in 5 Bereiche aufteilen, die ich anschließend erläutern werde:

1.       Qualitätsziele in der therapeutischen Begleitung.

2.       Grundlegende Qualitätsstandards in der Planung, Durchführung und Anpassung der professionellen Hilfen.

3.       Qualitätsziele in der regionalen Organisation des psychiatrischen Hilfesystems.

4.       Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung im regionalen psychiatrischen Hilfesystem durch systematische Stärkung der Interessen der Klienten und durch wissenschaftliche Evaluation.

5.       Gesundheitspolitische Steuerung, der Förderung von Qualität und Effizienz im psychiatrischen Hilfesystem auf regionaler, Landes- und Bundesebene.

 

Zu Punkt 1

Beziehungsqualität ist der Ausgangspunkt und Grundvoraussetzung für die Annäherung an die anderen Qualitätsziele. Hier sind folgende Punkte zu beachten:

1.       Eine respektvolle, zugewandte, offene, verlässliche, vertrauensbildende therapeutische Beziehung mit einer guten Balance zwischen Nähe und Distanz.

2.       Eine Bedürfnis- und Ressourcenorientierte –Selbsthilfe- und Inklusionsorientierte Grundhaltung.

3.       Weitgehende Wahlmöglichkeiten für die Klienten in Bezug auf Klinik, Arzt und Therapeuten.

4.       Eine persönliche und fachliche Kompetenz der Behandelnden, ins besonders psycho- und sozialtherapeutisch.

5.       Kontinuität in der persönlichen Begleitung, möglichst auch eine Begleitung der Wohnbetreuer in der Klinik.

6.       Lebensweltbezogene Zielorientierung (Fähigkeiten fördern, Störungen beachten, eine persönliche Beziehung aufbauen, in Wohnen und Arbeit eingliedern, Freizeitgestaltung fördern.

7.       Niedrigschwelliger und zeitgerechter Zugang zum Hilfesystem.

8.       Gespräche mit Seelsorgern und Psychiatrieerfahrenen anbieten.

9.       Dem Patienten in der Klink ein Gefühl von Schutz und Sicherheit geben.

10.   Den Patienten ernst nehmen und seine Würde achten.

11.   Den Patienten über seine Rechte, die Hausordnung und die Behandlung aufklären und ihm dem Zugang zu Informationen ermöglichen.

12.   Klare, individuelle Regeln aufstellen und an Absprachen halten.

13.   Anpassung der Hilfen nach Art und Zeitaufwand an wechselnden Bedarf.

14.   Abstimmung mit dem Klienten, sowie unter den Berufsgruppen, Einrichtungen und Leistungsträgern.

15.   Beachtung der Genderleitlinien.

16.   Einbeziehung des Umfelds, nichtpsychiatrische Hilfe hat Vorrang vor professioneller Hilfe.

17.   Ambulante, ortsnahe, lebensnahe auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Hilfen haben Vorrang.

18.   Ein wohltuendes, anregendes wie schützendes Klima in den Einrichtungen trägt zur Normalisierung bei.

19.   Schutz der Menschenwürde und sorgfältige Wahrung der Verhältnismäßigkeit, wenn Grundrechte psychisch kranker Menschen vorrübergehend eingeschränkt werden müssen. Es gilt, Zwangsmaßnahmen, Erpressung und Nötigung durch Deeskalation zu vermeiden. Als Zwangsmaßnahme sollte man es im schlimmsten Falle mit einer Isolierung zur Gefahrenabwehr versuchen.

        Räumlich und Organisatorisch ist es wichtig, möglichst 1- oder 2-Bettzimmer zu haben, Kontakt- und Rückzugsmöglichkeiten auf den Stationen zu schaffen, ein schönes, angenehmes Milieu schaffen, eine geeignete Bezugsperson für den Patienten finden, der auch vom Patienten abgelehnt werden darf. Die Mitarbeiter sollten im Team arbeiten und möglichst oft auch Supervisionen haben. Psychiatrie-Erfahrene im Team sind wünschenswert.

Zu Punkt 2:

1.       Niedrigschwelliger Zugang zur Behandlung.

2.       Nutzung aller Möglichkeiten zur Vermeidung von Zwangsmaßnahmen.

3.       Vorrang ambulanter Hilfen vor teilstationären und dieser vor vollstationären Hilfen bei mindestens vergleichbarer Wirksamkeit.

4.       Bei Zustimmung des Patienten kann ein Kontakt zum Umfeld aufgenommen werden (Partner/Familie, Wohnen, Arbeit, Freizeit, Teilhabe am öffentlichen Leben. Dies dient der Wiedereingliederung.

5.       Kontaktaufnahme zur Selbsthilfe.

6.       Beteiligung des Patienten an möglichst allen Behandlungs- und Hilfeplankonferenzen.

 

Zu Punkt 3:

1.       Professionelle Begleitung durch ein berufsübergreifend zusammengesetztes Team.

2.       Abstimmung mit der Bezugsperson.

3.       Teamkonferenzen und Hilfeplankonferenzen mit der Erstellung von Behandlungs- und Rehabilitationsplänen auch für die Bereiche Arbeit und Wohnen.

Zu Punkt 4: Es besteht ein Vertrag unter den Leistungserbringern zur garantierten Pflichtversorgung, die angemessen, bedarfsgerecht und wirtschaftlich sein muss. Es gibt Verfahrensvorschriften zur Sicherstellung der Qualitätskriterien. Es geht um die Regelung von Aus-, Fort- und Weiterbildung, um Koordination und Dokumentation. Psychiatrie-Erfahrene werden an der Planung beteiligt. Auf ihre Erfahrung kann die moderne Psychiatrie nicht mehr verzichten.

Zu Punkt 5: Die Bundesregierung erarbeitet mit den Krankenkassen Finanzierungskonzepte. Im neuen Gesetz steht, wie lange eine psychische Erkrankung dauern darf und wie viel oder wenig Geld die Klinik erhält, wenn der Patient länger die klinische Hilfe braucht. Es gibt Möglichkeiten, Modelregionen zu schaffen, um neue Methoden der Zusammenarbeit und Behandlung in einer Kommune auszuprobieren. Diese werden besonders gefördert. Man kann ein Regionalbudget beantragen. Die Länder können ihre Gesetze wie das PsychKG anpassen und die Länder und Kommunen die Personalbesetzung, Ausbildung und die Bezahlung der Mitarbeiter regeln. Eine Zusammenarbeit der einzelnen Leistungsanbieter (Klinik, Wohnbetreuung, Arbeitgeber) kann klar geregelt und verbessert werden. Die Bezahlung über die verschiedenen Sozialgesetzbücher (SGB 5, 9 und 12) kann verbessert werden.

Wie kann man die Qualität in der Psychiatrischen Versorgung nun kontrollieren? Dies ist oft nur durch subjektive Einschätzung möglich. Es müssen Standard-Fragebögen  erarbeitet und wissenschaftlich ausgewertet werden.

Eine Kontrolle der Einrichtungen erfolgt am besten durch externe Begutachter und vor allem durch eine Nutzerbefragung. In den Heimen schaut die Heimaufsicht gelegentlich vorbei und prüft akribisch die Einrichtung und ihre Verwaltungsunterlagen. In den Kliniken schaut die Besuchskommission vorbei und verschafft sich einen Eindruck durch Begehung und Gesprächen mit Mitarbeitern und Patienten. Die Besuche der Kontrolleure sollten unangemeldet kommen. Die Qualität kann man an der Höhe der verabreichten Medikamente sehen, an den dokumentierten Zwangsmaßnahmen, den Entweichungen, an den Beschwerden der Patienten, an der Milieugestaltung, an den Wochenplänen (was wird an Therapie angeboten?), an den baulichen Mängeln und man kann aus Gesprächen mit den Mitarbeitern Mängel erkennen. Wichtig ist auch die Essenversorgung, da es Vegetarier, Veganer, Muslime und andere Religionen gibt, die spezielles Essen brauchen, wie auch bei Allergien, z.B. Laktoseintoleranz. Patienten sollten in Dienste auf Station einbezogen werden (Tisch decken, Zeitung holen, Reinigung der Räume, eigene Wäsche waschen, Kochen und Backen), um nicht durch Hotelcharakter hospitalisiert zu werden. Das Angebot von Therapien sollte umfangreich sein, damit der Patient für sich das richtige finden kann. Einige ziehen Musik und Kunst vor, andere wollen eher in die Arbeitstherapie. Wichtig ist, dass auch auf geschlossenen Stationen möglichst täglich ein Ausgang für alle Patienten angeboten wird (z.B. mit Begleitpersonal). Für das Stationsklima wäre es förderlich, wenn es keine mechanisch verschlossenen Eingangstüren mehr gäben würde. Man sollte auch darauf verzichten, alle Akutpatienten auf eine Aufnahmestation zu stecken, sondern die Stationen mischen und öffnen. Die Zahl der Entweichungen wird sich dadurch nicht erhöhen.

Die moderne Psychiatrie sollte sich an 5 Schlagwörtern aus dem Englischen orientieren:

-          Recovery   (Besserung, Gesundung, Genesungsprozess)

-          Empowerment    (Selbstermächtigung, Förderung noch vorhandener Fähigkeiten)

-          Need adapted treatment NAT   (Bedürfnis angepasste Behandlung)

-          Resilenz   (Verbesserung der Belastbarkeit, Widerstandsfähigkeit, aus einer Krise gestärkt hervorgehen, Stehaufmännchen- durch Training)

-          Inklusion   (Dazugehören zur Gemeinschaft)

 

Abschließend bleibt festzustellen, dass Psychiatrie-Erfahrene vermehrt am Qualitätsprozess beteiligt werden. Sie haben sich in Selbsthilfegruppen und Verbänden organisiert. Die Betroffenen werden immer besser über das Psychiatrie-System informiert und geschult, so dass sie den sogenannten Profis auf Augenhöhe entgegentreten können.

 

Referat von Detlef Tintelott

 

Gehalten am 12.10.2013 in Kassel

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